Divisionär Bernhard Müller, Kdt Luftwaffe, hielt am 18. August 2020, trotz eher komplizierten Umständen wegen COVID-19, ein brillantes und informatives Referat vor 70 Anwesenden der OG Stadt Bern. Sein starkes Engagement kam spürbar an und vermittelte, dass nun die weiteren Kreise im Umfeld der Mitglieder der OGB überzeugt werden müssen, am 27. September 2020 ein JA in die Urne zu legen für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge (NKF).

 

Oberst i Gst Frieder Fallscheer, Präsident OGB, begrüsste die Anwesenden und gab zuerst die derzeit gültigen Schutzmassnahmen bezüglich COVID-19 bekannt. Der Abstand konnte eingehalten werden und Masken lagen bereit, davon wurde auch rege Gebrauch gemacht.
Der Präsident sprach als Einführung die Kampagne «sicherheit-ja» an, die erfolgreich angelaufen ist.

Divisionär Bernhard Müller nannte zwei Hauptgründe für neue Kampfflugzeuge und für eine funktionierende Armee allgemein:

  1. Ein nach wie vor gültiges Zitat von Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, das sinngemäss die Botschaft übermittelt, dass die Neutralität der Schweiz nur dann geachtet wird, wenn sie notfalls mit Waffengewalt durchgesetzt werden kann. Dies ist auch in der Verfassung so verankert.
  2. Die Machtpolitik ist derzeit alles andere als stabil. China will eine neue Seidenstrasse etablieren, die USA hat 12‘000 Armeeangehörige aus Europa abgezogen. Dadurch entsteht in Europa ein militärisches Vakuum, welches nicht einfach so geschlossen werden kann. die Nationen wären durchaus dazu im Stande, das Potential ist da, doch die Politik stellt sich dagegen. Ein Grund dafür ist, dass das Bewusstsein für schlagartige Änderungen der Verhältnisse fehlt. Niemand konnte die Annexion der Krim voraussehen, oder den Konflikt in Ex-Jugoslawien, oder den Fall der Berliner Mauer.

Schon längere Zeit findet ein reger Austausch zwischen Luftwaffe und Heer statt. Es sei wichtig, so der Referent, als Einheit aufzutreten, denn die Armee kann nur als Ganzes ihren Auftrag – kämpfen, schützen, helfen – erfüllen. Der Neutralitätsschutz kann nur garantiert werden, wenn man von aussen ernst genommen wird.

Das Ziel der Luftwaffe (LW) ist es, Krieg zu verhindern. Dazu sind defensive, aber auch offensive Optionen unabdingbar. Die offensiven Optionen sind auch wichtig, weil sie auf einen möglichen Gegner dissuasiv (abschreckend) wirken. Mit der jetzigen Ausrüstung sind nur noch defensive Optionen da. Was die Infrastruktur der LW betrifft, muss eine dezentralisierte Organisation angestrebt werden um Klumpenrisiken zu vermeiden. Es bestehen aber heute schon Lücken im Einsatzkonzept der LW, die es mit den NKF zu schliessen gilt. Zuerst ist da die integrierte Luftverteidigung, die verlangt, dass Kampfflugzeuge und Fliegerabwehr im gleichen Luftraum koordiniert wirken können. Dann sind da die luftgestützte Aufklärung und der Erdkampf.

Die Lebensdauer der F/A-18 wäre schon abgelaufen, hinterliesse aber eine strategische Lücke, da noch kein Ersatz vorhanden ist. Deswegen wurde eine Nutzungsdauerverlängerung gesprochen, um den Schutz des Luftraumes auch während der Übergangsphase zwischen F/A-18 und dem NKF zu gewährleisten. Dabei wird der F-5 Tiger als Service Flugzeug zur Entlastung der F/A-18 eingesetzt.

Divisionär Müller kommt zum Schwergewicht des Vortrages: Programm Air2030. BodLuV für 2 Mia. CHF, NKF für 6 Mia. ab 2022. Bei BodLuV liegt die Priorität auf grosser Reichweite, weil sich daraus bessere Synergien mit dem NKF ergeben und Mittel nötig sind, die in allen Flughöhen wirken können, damit ein Gegner effektiv eingeschränkt werden kann. Zudem gibt es Lücken bei den Mitteln für kurze und mittlere Reichweiten, da das System RAPIER liquidiert wird und nur die Systeme Stinger und M Flab verbleiben.

Das NKF muss ein Mehrzweck-Kampfflugzeug sein, um alle seine Aufgaben – Luftpolizei (LPD), Luftverteidigung und Neutralitätsschutz – erfüllen zu können. Es muss die gleichen Kompetenzen wie die F/A-18 haben, aber auch Vorrichtungen für Erdangriffe und Luftaufklärung an Bord haben. Deswegen werden bei den Evaluationskriterien die Fähigkeiten des NKF mit 55% gewichtet.

Ohne LW gibt es kein einsatzfähiges Heer. Wenn die NKF beschafft worden sind, kann man sich auch der Erneuerung oder dem Ersatz der restlichen Systeme und Ausrüstungen widmen, bei der LW, wie auch beim Heer. Zur Finanzierung sind in den nächsten 10 Jahren 15 Mia. CHF für die Weiterentwicklung und Werterhaltung der Armee vonnöten. Diese sollen mit einem jährlichen Budget-Zuwachs von 1,4% finanziert werden. Die Beträge werden alle aus dem regulären Armeebudget bezahlt. Das dürfte wohl eines der wichtigsten Argumente zur Meinungsbildung für die Abstimmung sein.

Div Müller erwähnt auch die Gegenvorschläge und Argumente, wonach die Beschaffung NKF verschwenderisch, unnötig und ökologisch katastrophal sei, wie die Gegnerinnen und Gegner argumentieren. Der Referent kann das alles entkräften: Wie er bereits erwähnt hat, werden die Kosten vom regulären Armeebudget getragen. Trainingsflugzeuge sind für den Luftpolizeidienst ungeeignet, wegen mangelnder Steigfähigkeit, Geschwindigkeit und Bewaffnung. Zudem sind sie nicht allwettertauglich und werden auch sonst nirgends zum LPD eingesetzt.

Die Ökologie (Klimawandel!) wird natürlich von den Gegnerinnen und Gegnern besonders emotional betont. Doch im Vergleich zum Strassenverkehr, der jährlich 6,7 Mia. Liter Treibstoff verbraucht, benötigt die LW nur 0,0425 Mia. Liter. Der Anteil des Gesamtausstosses von CO2 beträgt für die LW gerademal 0,3%. Zusätzlich können weitere ökologische Einsparungen gemacht werden, weil die neue Flotte die F-5 Tiger und die F/A-18 ablöst, es also nur noch einen Flugzeugtyp geben wird.

Der Referent geht auf weitere gegnerische Argumente ein und entkräftet diese sachlich. Das Stichwort Zweiflottenstrategie ändert nichts daran, dass die F/A-18 so oder so ihr Nutzungsende erreichen und dann muss ja trotzdem Ersatz beschafft werden. Zum Stichwort Drohnen ist die Antwort von Div Müller, dass Drohnen für den LPD ebenso wenig geeignet sind wie Trainingsflugzeuge. Die NKF seien von den USA «gesteuert». Div Müller: Eine Fernsteuerung der Systeme ist nicht möglich. Es befinden sich amerikanische Spezialisten auf Schweizer Boden, aber sie stellen lediglich sicher, dass die Schweiz nicht ohne Einwilligung Systeme an Drittstaaten verkauft.

Das Kostendach gibt immer wieder Veranlassung zu Diskussionen. Das Kostendach ist klar definiert. Eine genügende Anzahl von Flugzeugen soll beschafft werden, die genaue Anzahl ist nicht genannt. Die Instandhaltungskosten sind berechenbar, die Kosten für Werterhaltungsprogramme aber nicht. Der Flugstundenpreis hängt vom Flugstundenbedarf ab.

Div Müller fasste zusammen: Ohne NKF und BodLuV ist die Schweiz ab 2030 schutzlos und die Armee kann ihren Auftrag nicht mehr erfüllen. Die aktuelle Ausrüstung ist veraltet oder veraltet bald. Es gibt keine Alternativen zu NKF und BodLuV. Das NKF wird einzig aus dem Armeebudget finanziert.

Obwohl die meisten Anwesenden «maskiert» waren folgten doch die Augen interessiert der Folienpräsentation und die Aufmerksamkeit war hoch. Dies bestätigte auch der verdiente, grosse Applaus. Divisionär Müller sprach sachlich und sehr überzeugend. Unter den rund 70 Zuhörenden sassen auffällig viele Damen und auch Mitglieder, die man sonst eher selten an den Vorträgen begrüssen kann. Trotz der COVID-19-Massnahmen war die Stimmung spürbar aufgeschlossen. Präsident Fallscheer bedankte sich beim Referenten für das im Vorfeld der Abstimmung sehr wichtige Referat und machte auf nächste Veranstaltungen aufmerksam. Im Anschluss konnten im kameradschaftlichen Teil Pins und weitere Artikel der Kampagne «JA zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge» erworben werden und alle genossen den offerierten Apéro riche in lebhaftem Gespräch.

Oblt Ricco Daniele Hostettler

  • NKF18082020-2Müller
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